Am Freitagabend trifft die Schweiz im EM-Viertelfinal auf Weltmeister Spanien. Nur mit einer aussergewöhnlichen Leistung ist eine Sensation gegen das Starensemble möglich. Damit die Nati über sich hinauswächst, setzt das Team auf eine besondere Motivationsquelle: Alisha Lehmann. Sie soll mit ihrer Motivationsrede vor dem Anpfiff dem Team einheizen.
Im Schweizer Nationalteam erhofft man sich durch ihre Worte einen zusätzlichen Schub – vielleicht sogar das gewisse Quäntchen Glück. Eigentlich ist es seit einer Weile im Frauen-Nationalteam so, dass immer eine andere Spielerin eine Rede hält. Captain Lia Wälti fragt jeweils eine ihrer Kolleginnen für die Ansprache. Nun hält aber schon zum dritten Mal an diesem Heim-Turnier Alisha Lehmann die Rede. Denn: Sie bringt Glück.
Viola Calligaris erzählt, dass eigentlich sie selbst die Rede vor dem 2:0-Sieg gegen Island hätte halten sollen. Aber: «Ich habe Lia gesagt, dass ich diesmal nicht die Rede halten möchte. Ich habe zweimal die Motivationsrede gehalten und zweimal haben wir verloren. Deshalb wollte ich nichts dem Zufall überlassen und sagte: ‹Nimm Alisha!›»
Lehmann hatte beim letzten Test vor der EM gegen Tschechien die Ansprache gehalten und dabei überzeugt. «Ich habe versucht, eine Mischung zwischen Ernst und Spass zu finden», erzählte sie später. Einer ihrer Sätze lautete: «Die Schweiz besteht aus Felsen. Also lasst uns genauso stark sein wie Felsen.»
Als die Schweiz dann das EM-Eröffnungsspiel gegen Norwegen mit 1:2 verlor, erinnerte sich Calligaris an die erfolgreiche Rede Lehmanns und empfahl sie erneut. «Alisha hat uns alle gepackt mit ihren Worten. Gegen Island hat sie das nochmals gemacht. Sie spricht allen aus dem Herzen. Ich habe ihr danach gesagt, dass sie die Rede jetzt immer halten muss.»
Auch Aussenverteidigerin Nadine Riesen schwärmt über die Motivationskünste von Alisha Lehmann: «Sie findet immer die Worte, um uns zu motivieren. Sie pusht uns enorm.» Was genau erzählte Lehmann in ihrer Rede gegen Finnland? «Sie hat uns daran erinnert, dass wir als kleine Mädchen alle davon geträumt haben, Fussball zu spielen», sagt Riesen. «Und nun stehen wir auf dem Feld und haben die Chance, junge Mädchen und alle anderen Menschen in diesem vollen Stadion zu begeistern. Sie meinte, wir sollen Spass haben und gemeinsam mit allen Fans alles geben.»
Alisha Lehmann, die auf Instagram fast 17 Millionen Follower hat, spielt im Team eine wichtigere Rolle, als es ihre neun Spielminuten in den drei EM-Gruppenspielen vermuten lassen würde. Mit ihren 26 Jahren bewegt sich Lehmann genau zwischen den Tiktok-tanzenden Teenies wie Sydney Schertenleib und Leila Wandeler und den Routiniers Lia Wälti und Noelle Maritz, die im Teamhotel lieber Brändi Dog spielen.
Im Nati-Camp zeigt sich, dass Alisha Lehmann als eine Art Bindungsspielerin gilt. «Ich komme mit allen im Team gut aus und bin immer ein bisschen bei allen mit dabei – ganz egal ob bei Tanzvideos oder beim Brändi Dog», sagt Lehmann. «Ich versuche gute Laune zu verbreiten. Wenn es jemandem schlecht geht, rede ich mit der Person und versuche, sie wieder zum Lächeln zu bringen.»
Und in der Partie gegen Finnland zeigte sie in ihrem Kurzeinsatz sogar gefährliche Ansätze, leitete das so wichtige Ausgleichstor durch Riola Xhemaili mit ein. Eine solche Jokerrolle ist ihr auch gegen Spanien wieder zuzutrauen. Zunächst aber ist ihre Aufgabe eine andere: Auch im historischen EM-Viertelfinal gegen Spanien soll sie mit ihren Worten wieder die Herzen ihrer Mitspielerinnen erreichen.
Lehmann hatte an dieser EM bisher 8 Einsatzminuten (+ etwas Nachspielzeit). Dann gibt es Spielerinnen, die in jedem Spiel in der Startaufstellung standen (Beney, Valotto, Maritz, Riesen), von denen man aber keinen einzigen Artikel findet. Selbst wenn man die Namen in Nebensätzen sucht, wird man nur schwer fündig.
Sicher toll 270 Minuten durchzupowern und dann in den Medien zu lesen, wie wichtig diese eine Spielerin sei, die gar nicht spielte.
Lukas Podolski hatte beim WM-Erfolg DEs genau diese Rolle - trotz weniger Minuten Spielzeit war er einer der entscheidenden Spieler.